Hieronder het volledige interview. Een aantal Duitse anarchisten wezen er al op dat de Nationalzeitung de boeken van Chomsky aanprijst. Uiteraard kan men Chomsky niet verantwoordelijk maken hiervoor, doch zelf een interview toestaan met de Nationalzeitung van Gerhard Frey is op zijn minst gezegd bedenkelijk. Voor de niet-geïnformeerden : de DNZ is de krant van de onverholen rechtsextremist Frey. Deze krant laat niet na het Duitse oorlogsverleden op te hemelen of "in een ander daglicht te stellen". Uiteraard is deze krant eveneens pro-Saddam, pro-Milosevic en vooral anti-Amerikaans. Soit, lees zelf : Interview mit Professor Noam Chomsky: "Praktisch völlige Unterdrückung der Tatsachen" Die National-Zeitung befragte den führenden Kritiker der US-Politik Professor Noam Chomsky, hier im Januar 2002 auf dem Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre, der Gegenveranstaltung zum gleichzeitigen Weltwirtschaftsforum in New York. Die "New York Times" hat ihn zum "wichtigsten lebenden Intellektuellen unserer Zeit" ausgerufen, von Statistikern ist er zum "Zitaten-Champion" gekürt worden (sei er doch neben Shakespeare, Goethe, Darwin, Marx und der Bibel eine der zehn in Natur- und Geisteswissenschaften meistzitierten Quellen), Professor Neil Smith (London) stellt seine Bedeutung für die kognitiven Wissenschaften mit jener Galileo Galileis für die Physik gleich: PROFESSOR DR. NOAM AVRAM CHOMSKY. Als "Guru der Neuen Linken" ("Der Spiegel!"), "größter lebender Vordenker der Globalisierungsgegner", deren "zentrale Figur", ja "ungekrönter König" der Bewegung, dem die Massen seiner Anhänger "zujubeln wie einem Popstar" ("Süddeutsche Zeitung"), "brillantester und unerbittlichster Kritiker der amerikanischen Außenpolitik" (US-Publizist Robert Anton Wilson) und einer der schärfsten Opponenten des offiziellen Israel mobilisiert Chomsky, Spross einer aus Russland nach Amerika ausgewanderten jüdischen Familie, aber auch gnadenlose Anfeindungen mächtiger Insiderkreise gegen sich. "Dem Strom von Schmähungen und Fälschungen" freilich will er sich, wie er betont, unbeirrt entgegenstemmen. Jetzt hat dieser auf das Heftigste diskutierte Mann - eine der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten unserer Zeit -, der NATIONAL-ZEITUNG Rede und Antwort gestanden. "Klarmachen, dass Ungehorsam nicht toleriert, sondern bestraft wird" Herr Professor Chomsky, welche Kräfte in den USA lehnen aus Ihrer Sicht Angriffskriege ab und streben stattdessen friedliche Kompromisse auf der Grundlage gegenseitiger Interessenwahrung an? Chomsky: Ein Beispiel: Derzeit gibt es, wie vor kurzem offenkundig wurde, einen Riss zwischen dem Pentagon und den Zivilisten in der Exekutive wegen des Plans, den Irak anzugreifen. Das Militär ist widerwillig, die Zivilbeamten sind enthusiastisch. Das ist nicht ungewöhnlich. Eine vielbeachtete und hervorragende Studie des Diplomatie-Historikers Robert Buzzanco über die ersten Tage des Vietnamkriegs brachte Ähnliches zutage. Und es gibt weitere Fälle. Wirtschaftsinteressen sprechen oft gegen einen Konflikt. Auch der Mittlere Osten bietet Beispiele. Die Energiekonzerne tendierten dazu, den internationalen Konsens für eine diplomatische Lösung des arabisch-israelischen Konflikts zu unterstützen, die die Exekutive ein vierteljahrhundertlang blockiert hat und immer noch blockiert. In ähnlicher Weise scheinen die Konzerne im Fall des Iran einen breiten internationalen Konsens zur Unterstützung der Reformer zu begünstigen, die den Iran in das internationale System reintegrieren wollen. Das würde ihnen Investitionsmöglichkeiten, bessere Pipeline-Routen usw. bringen. Aber die Exekutive besteht auf eine viel kriegerischere Haltung, wahrscheinlich um "glaubwürdig zu bleiben", um es mit dem Ausdruck zu sagen, der in der Rhetorik der Staatskunst und der Wissenschaft der internationalen Beziehungen verwendet wird. In Wahrheit bedeutet das: Klarmachen, dass Ungehorsam nicht toleriert, sondern bestraft wird. Der Riss zwischen der Exekutive und einem Großteil der Wirtschaft bezüglich der Kuba-Politik hat dieselben Ursachen. Es gibt natürlich offizielle Vorwände, aber sie werden durchweg durch die Dokumente, für die die Geheimhaltung aufgehoben worden ist, und durch massive aktuelle Beweise entkräftet. Machtzentren sind oft im Konflikt miteinander, verfolgen sie doch verschiedene kurzfristige Ziele, trotz eines Rahmens gemeinsamer Interessen und enger Verbindungen bei der Planung ihrer Politik. "Israel weiß, dass es nicht vorsichtig zu sein braucht" Die UNO hat Hunderte Entschließungen zugunsten des Völkerrechts gefasst und Rechtsbrüche verurteilt. Israel zeigt sich davon aber völlig unbeeindruckt. Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass die Vereinten Nationen nicht nur als Papiertiger agieren, sondern ihre Resolutionen auch durchsetzen? Chomsky: Israel hat einen Weg gewählt, der es in hohem Maße von den USA abhängig macht. Israels Führung weiß sicherlich, dass sie so weit gehen kann, wie es die USA erlauben, aber nicht viel weiter. Der Grund, warum Israel das Völkerrecht missachtet, ist, dass die USA es dazu ermächtigen. Zur Verdeutlichung: Denken Sie an die Vierte Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung, ein fundamentales Prinzip des humanitären Völkerrechts, errichtet nach dem Zweiten Weltkrieg, um die Verbrechen der Nazis im besetzten Europa förmlich für strafbar zu erklären. Die Konvention verbietet praktisch alles, was Israel in den besetzten Gebieten getan hat. Und ihre Befolgung würde den Weg zu der diplomatischen Regelung öffnen, die seit Mitte der 70er-Jahre auf dem Tisch liegt und von fast der ganzen Welt, einschließlich der arabischen Staaten und der PLO, unterstützt wird. Die Anwendbarkeit der Konvention auf die besetzten Gebiete wurde wiederholt bestätigt, auch von George Bush als UNO-Botschafter 1971. Sie wurde auch durch Resolutionen des Sicherheitsrats bekräftigt: 1980 einstimmig mit der Verurteilung von Israels "flagranter Verletzung der Konvention". Und im Oktober 2000 mit 14:0 Stimmen - bei Enthaltung Clintons - mit dem Appell an Israel, seine Pflichten als Besatzungsmacht zu erfüllen, gegen die es in skandalöser Weise verstieß. Zuletzt wurde Israel im Dezember 2001 bei einer Konferenz der Vertragsstaaten der Konvention in Genf wegen Verstößen gegen die Konvention einschließlich "schwerer Verletzungen", also wirklicher Kriegsverbrechen, verurteilt. Unter anderem die EU unterstützte die Resolution. Die Konferenz wurde von den USA boykottiert, um sie zunichte zu machen und sie aus den US-Medien herauszuhalten. "Wenn Europa keinen unabhängigen Kurs einschlägt" Die Vertragsstaaten, einschließlich der USA und der EU-Staaten, sind durch Vertrag feierlich verpflichtet, Verletzer der Konvention - auch ihre eigene Führung, wenn sie an solchen Verletzungen teilnimmt - zu ergreifen und zu bestrafen. Aber Israel weiß, dass es nicht vorsichtig zu sein braucht, denn es erhält volle militärische, ökonomische, diplomatische und ideologische Unterstützung von den herrschenden Mächten, während es die "schweren Verletzungen" der Konvention fortsetzt. Die ideologische Unterstützung besteht in der praktisch völligen Unterdrückung der Tatsachen in unserem Informationssystem, nicht nur bei diesem speziellen Thema, das allerdings typisch ist. Die UNO kann aus offensichtlichen Gründen nicht ohne Ermächtigung der Großmächte, vor allem der USA, handeln. In der Frühzeit der UNO, als Washingtons Befehl Gesetz war, war die Weltorganisation in den USA angesehen und Russland wurde scharf verurteilt, weil es UNO-Aktionen blockierte. Mit der Entkolonialisierung und der Erholung vom Trauma des Krieges wurde die UNO als Agentur der US-Macht weniger verlässlich. Und ihr Prestige unter den Eliten sank. Seit den 60ern sind die USA bei weitem führend bei Vetos gegen die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates. Großbritannien liegt an zweiter Stelle und Frankreich ist abgeschlagener Dritter. Die Bilanz in der Generalversammlung ist ähnlich. Die USA wurden als einziger Staat vom Internationalen Gerichtshof wegen internationalen Terrorismus - "widerrechtlicher Anwendung von Gewalt" - verurteilt. Ein Urteil, das die USA zurückwiesen und damit beantworteten, dass sie ihre Angriffe ausdehnten und eine Resolution des Sicherheitsrates mit ihrem Veto blockierten, in der die Staaten aufgefordert wurden, das internationale Recht zu beachten. Washingtons offizieller Standpunkt war, dass die USA multilateral handeln, wenn sie können, und unilateral, wenn es ihnen beliebt. Das ist ein natürlicher Standpunkt für einen Staat mit überwältigender Stärke, ohne einen abschreckenden Gegner und mit wenig abweichenden Meinungen in den internen Eliten (wenn auch mit einer kräftigen Opposition in der Bevölkerung gegen seine Politik). Wenn nicht andere Mächte, insbesondere Europa, einen ziemlich unabhängigen Kurs einschlagen, kann die UNO nichts tun, um ihre Resolutionen zu verwirklichen. "Die Palästinenser sind schwach und wehrlos" Welche Erklärung haben Sie, Herr Professor Chomsky, dafür, dass die USA Israel selbst bei krassen Unrechtstaten stützen und weiterhin mit unzähligen Milliarden Dollar und den modernsten Waffen versorgen? Chomsky: Vor 45 Jahren empfahl der US-Nachrichtendienst als eine "logische Folge" des US-Widerstands gegen einen unabhängigen arabischen Nationalismus die Unterstützung Israels als zuverlässiger Basis der US-Macht in der Region. Seite an Seite mit der Türkei und damals noch dem Iran mit dem Schah, der durch einen amerikanisch-britischen Militärcoup wieder an die Macht gebracht worden war. Diese Position wurde 1967 untermauert, als Israel den USA einen realen Dienst erwies, indem es das Zentrum des arabischen Nationalismus zerstörte und damit eine der Säulen der verhassten Bewegung der Blockfreien unterminierte. Zwei Jahre vorher hatte die indonesische Armee einen ähnlichen Dienst geleistet, wobei sie Hunderttausende Menschen abschlachtete, vor allem landlose Bauern - eine Unternehmung, die ebenfalls echte Euphorie im Westen hervorrief. Und so ging es weiter. Jetzt ist Israel praktisch ein militärischer US-Vorposten und eng mit den USA in der High-Tech-Produktion, auch der militärischen, verbunden. Es hat eine enorme militärische Stärke. Über 10 Prozent davon sind in der Osttürkei als Teil des globalen Interventionssystems, das auf die weltgrößten Energiereserven, am Golf, zielt, aufgeboten. Und Israel leistet auch anderswo Dienste, indem es der US-Exekutive hilft, vom Kongress zum Schutz der Menschenrechte verhängte Beschränkungen von Waffenlieferungen und militärischer Ausbildung zu umgehen. Im Gegensatz zu Israel sind die Palästinenser schwach und wehrlos, vor allem lästig. "Erstaunliche Uniformität der Medien" Daraus folgt unmittelbar, welche Politik gewählt wird. Ich kenne keine Großmacht der Geschichte, die anders gehandelt hat. Kleinere Staaten handeln ebenso, soweit sie die Möglichkeit haben. Staaten sind keine moralischen Akteure, die Menschen schon. Um es konkret zu illustrieren: Die Mehrheit der Amerikaner unterstützt den internationalen Konsens zum arabisch-israelischen Problem, hat aber keine Ahnung, dass ihre eigene Regierung das Haupthindernis für die Verwirklichung war. Sie können es nicht herausfinden, außer wenn sie ausgedehnte Nachforschungen unternehmen, die weit über die Möglichkeiten des Einzelnen hinausgehen, oder mit Volksbewegungen in Verbindung stehen, die sich doktrinärer Kontrolle entziehen und relevante Informationen liefern. Auch weiß fast kein Amerikaner, wie Clinton auf Israels Einsatz von US-Helikoptern in den ersten Tagen der jetzigen Intifada reagierte. Auf einen Einsatz gegen zivile Ziele, wobei Dutzende Personen getötet und verwundet wurden zu einem Zeitpunkt, als es praktisch keine palästinensische bewaffnete Aktivität gab. Clinton antwortete, indem er den größten Deal des Jahrzehnts machte und Israel neue Militärhubschrauber schickte, zusammen mit Ersatzteilen für kurz zuvor gelieferte Apache-Kampfhubschrauber, die seitdem Verwüstung anrichten. Amerikaner können das nicht wissen, weil die Medien es ablehnten, die Fakten zu veröffentlichen. Und zwar mit erstaunlicher Uniformität, nicht unter Druck, nicht als Teil einer Verschwörung, sondern aufgrund gemeinsamer Auffassungen, die sich auf die Eliten allgemein erstrecken. Man kann viele Beispiele anführen. Unter solchen Umständen können die Menschen nicht handeln, um die Politik zu ändern, wie sie es üblicherweise tun, wenn sie erfahren, was geschieht. Die Ergebnisse sind so, wie Sie sie schildern. In der nächsten Ausgabe spricht Noam Chomsky über die wahren Gründe für den angekündigten US-Angriff auf den Irak, äußert sich zur Zukunft Chinas, Indiens und der mohammedanischen Welt und antwortet auf die Frage, wer in 50 Jahren die Weltpolitik entscheidend mitbestimmen könnte.